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Logbuch

Von Leipzig nach Brunsbüttel

Ein „Bufdi“ erzählt von seiner Zeit in der Seemannsmission. William, vielen Dank für Alles!

 „Dein Auslandsjahr in Brunsbüttel?“ 

Seemannsmission, als ich diesen Begriff das erste Mal im Internet las, wusste ich weder, was das ist, geschweige denn, worin die Arbeit bestehen könnte. Nach meiner Zeit hier erlebe ich das Phänomen, dass die Komplexität der Arbeit und diese zu erklären die eigentliche Herausforderung darstellt, da man Einblicke in ein Berufs- wie auch Privatleben bekommt, was es in dieser Art kein zweites Mal gibt, die Seefahrt. Wenn ich heute versuche jemandem zu erklären, was wir machen, dann fange ich oft bei dem Begriff Mission an. Die meisten haben nämlich schon einmal etwas von der Bahnhofsmission gehört, die Menschen in akuten Nöten oder existentiellen Notlagen hilft. Genau dies trifft im Kern auch auf die Arbeit in der Seemannsmission zu, die zwar von Standort zu Standort unterschiedlich ist, wie man auf den Fortbildungsseminaren lernt, aber vor allem in Brunsbüttel sehr abwechslungsreich ist: Wir kümmern uns um all die Anliegen, die Seefahrer haben können, da es sonst niemanden gibt, der sich um diese kümmert. 

Man stelle sich dafür einen Arbeitsplatz vor, der abgekoppelt von der Welt an Land ist, abgekoppelt von geregelten Arbeitszeiten, Familie, der simplen Möglichkeit, sich selbst das Essen zu besorgen, was man gern hätte oder gar Arztbesuche wahrnehmen zu können, wenn es einem schlecht geht – sprich ein Arbeitsplatz, an dem man als privater Mensch nicht wirklich selbstständig oder gar frei ist. Vor allem in Zeiten von „Work-Life-Balance“, „9-to-5-Jobs“ oder Bestrebungen hin zur 4 -Tage-Woche wird die Bezeichnung „Beruf“ im Blick auf die Seefahrt ihres eigentlichen Ursprungs der „Berufung“ mehr als gerecht. Die hervorgehobenen Wörter, die eben genau die Dinge charakterisieren, die Seefahrer nur eingeschränkt genießen dürfen, sind die, bei denen wir in den meisten Fällen aktiv helfen können. 

Wir sorgen für Abwechslung, indem wir Seefahrer während ihrer Ruhezeit von Bord mit in die Mission nehmen. Wir organisieren verschiedene Mobilfunkverträge, damit die Seefahrer Kontakt zur Außenwelt, aber vor allem zur Familie herstellen können. Heimische Essensspezialitäten, Schokolade, Chips, Getränke, Hygieneartikel oder Handys – all das, was wir immer um die Ecke besorgen können, zählt für viele Seefahrer oft zu Luxusgütern, die wir jedoch entweder in der Mission oder auch als Lieferung auf das Schiff besorgen können. Dafür muss oft der Bestand geprüft und bei fehlenden Artikeln eingekauft werden. Auch Artikel, die nicht auf unserer Liste bzw. in unserem Online-Shop stehen, können wir bei rechtzeitiger Kontaktaufnahme bestellen und dann an Bord bringen. Unsere eigentliche Tätigkeit der Schiffsbesuche erweitert sich dabei auch um Aufgaben im Verwaltungsbereich. Diese ist vor allem bei Arztbesuchen von Nöten, da wir Seefahrer nach Absprache mit der zuständigen Agentur zum Arzt oder bei akuteren Problemen von Bord ins Krankenhaus fahren. Neben den Bordbesuchen und den genannten „Services“, die wir anbieten, ist ab 15 Uhr unsere Mission, auch kurz genannt „Club“, geöffnet. Bei Anfrage fahren wir die Seefahrer in unseren Club, in dem sie unsere Angebote wie Billiard oder Tischtennis bei ein paar kühlen Getränken genießen können. Unser Club ist aber weit mehr als das. 

Wir sind zusätzlich eine Art kleines Hotel für Seefahrer. Wenn ein Off-signing (Seefahrer geht von Bord nach Vertragsende) oder ein On-signing (Seefahrer geht an Bord zu Vertragsbeginn) ansteht, müssen diese oft eine Nacht warten. Wenn sie in Hamburg landen, dann geht es erst am nächsten Tag oder mitten in der Nacht an Bord, genauso auch andersherum, wenn sie auf den Flug in die Heimat warten. Dafür haben wir fünf Zimmer und eine optionale „Vollpension“, worum wir uns als Team kümmern. Damit der Transfer auf das Schiff oder vom Schiff zum 

Flughafen auch mal mitten in der Nacht mit Zwischenstopp in der Mission reibungslos funktioniert, arbeiten wir auch hier eng mit den Agenturen und den Fahrdienstleistern zusammen. 

Als ich hier im August 2022 anfing, musste ich mich in der Kette all dieser zusammenhängenden Tätigkeiten zwar erst zurechtfinden, allerdings eröffnete es mir einerseits eine hohe Selbstständigkeit in meiner Arbeit, was aber auch mit der Fähigkeit der Selbstorganisation eng zusammenhing, andererseits erforderte es aber auch Verantwortung und Konzentration vor allem bei Bestellungen und den dazugehörigen Rechnungen, die wir erstellen. 

Ein wichtiger Faktor bei all dem ist die englische Sprache. Da wir Deutschen unter uns oft einen gewissen Druck verspüren, wenn wir voreinander Englisch sprechen, was an unserer gegenseitigen Korrekturversessenheit liegt, ist dies auf dem Schiff völlig anders. In den allerseltensten Fällen spricht jemand ein sehr gutes Englisch, was es für einen selbst sehr leicht macht, unbeschwert einfach draufloszusprechen und sich selbst über die Zeit zu verbessern. Auch unser Team ist nicht komplett deutschsprachig, wodurch man nie um das Englische drumherum kommt. Wer also in der Schule hinsichtlich seiner Englischkenntnisse Verbesserungspotential sieht, wird sich hier aufgrund der täglichen Praxis weitaus effektiver und schneller verbessern, was ich auch schnell merkte. 

Ja, dieses Jahr war fordernd, aber auf was ich zurückblicken kann, ist beeindruckend: Mit über 40 Nationen gearbeitet zu haben, auf weit über 300 Schiffen gewesen zu sein, die in unseren fünf Häfen verteilt lagen und dabei noch viel mehr gemacht zu haben, erfüllt mich mit Stolz, vor allem Teil dieses Teams gewesen zu sein. Die Möglichkeit zu haben, immer eigene Ideen mit einzubringen zu können, hat gezeigt, wie wichtig jeder Einzelne hier ist. Wer also vielleicht noch überlegt, ob man nach der Schule lieber ein Auslandsjahr machen sollte, dem rate ich die Seemannsmission Brunsbüttel mit in die Entscheidungsfindung aufzunehmen, denn hier kommen mehr Nationen zusammen als irgendwo anders. 

Dass ich noch stundenlang über meine Zeit hier reden könnte, und noch heute überrascht bin, wie schnell die Zeit verging, zeigt mir, dass es die absolut richtige Entscheidung war, die persönliche Entwicklung mit der ehrenamtlichen Hilfe für andere Menschen zu vereinen. 

Vielen Dank an Angelika, Ester, Andrea, Anja, Lea, Silas, Francis, Wolfgang, Leon und alle, die für das Wohl unserer Seefahrer sorgen. 

– William Langwagen 

 

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Crew der M/T Stanford

Bei meinem FSJ traf ich jeden Tag auf Menschen verschiedener Nationalitäten, die doch alle eines gemeinsam hatten: Sie sind fern von der Heimat und vermissen ihre Familie und Freunde. Die Seemannsmission bietet diesen Menschen eine Heimat während ihrer Arbeitszeit an Bord.

Gyde Schnoor

Ehemalige FSJ-lerin

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